Wir schreiben das Jahr 2004.


Ganz Ungarn ist von Touristen erobert?
nicht ganz Ungarn -
in einigen Gebieten leisten die Waldwege erbitterten Widerstand gegen die Befahrung mit touristischen Geräten
Aus alten Schriften haben wir von einem dieser Gebiete erfahren.
Zwei Expeditionen führen uns in die Heimat der unergründlichen Pfade und der herzlichen Bewohner der Berge um Misefa.

Pfingsten 2004

Wie immer schlagen wir Allradfreunde aus dem Wienerwald unser Lager im Panoramacamp in Heviz auf. Nach der ersten Schlemmerei geht es auf altbekannten Wegen durch die nähere Umgebung. Die Ruine Rezi  lässt weite Ausblicke auf die Gegend zu und wir beraten den Verlauf unserer Tour. Klar, dass kein Weg an der Sandspielgrube vorbei führt.

Auch das ehemalige russische Militärgebiet zieht uns immer wieder in seinen Bann. Innerhalb weniger Minuten verschluckt uns weites, einsames Grasland. Knorrige Bäume und einzelne Buschreihen dienen als Orientierungshilfe. Trotzdem bin ich froh, als wir ohne Probleme die Furt erreichen, die uns vom Anstieg zum Tatika-Vulkan trennt.

Zum Glück sieht die Furt ärger aus als sie ist. Keiner bleibt hängen und wir lassen die Tour durch ungarisches Grün gemütlich ausklingen.




Expedition 1

Am nächsten Tag geht es zur Sache. Die Morgensonne findet uns beim Einstieg in den Trail eines alten Roadbooks. Bereits kurz nach dem Start zeigen sich Streckenschrieb und Natur von sehr verschiedenen Seiten. Aufgeschriebene Wege sind zugewachsen und ein vermuteter Pfad erweist sich bei genauer Betrachtung als Wildwechsel für unerschrockene Waldbewohner. Franz sticht auf gut Glück dort ins Grüne, wo er den Weg vermutet. Ohne Bergegurt hätte er es in dem Schlammloch dahinter noch ein Weilchen länger ausgehalten. So bringt ihn ein kurzer Ruck wieder auf den Pfad der Tugend zurück.
Zwei unscheinbare Spuren führen auf eine dicht Blätterwand zu. Dahinter werden sie deutlicher und tiefer. Ich scheuche den Pajero trotz knarrender Grüße des Fahrwerks den Berg hinauf. Aufsitzen und zurückschieben sind Aktionen, die ich ab einer gewissen Steigung von Hohlwegen eher nicht schätze. Mein Funkspruch ermuntert die anderen zu ihrer Art des Sturms auf den Hohlweg. Rudi, unser Funk-Fuchs, hat PMR Funkgeräte besorgt. Klein, handlich und mit langer Akkulaufzeit erweisen sie sich im Gelände als ideale Kommunikationsmittel.  Auch bei Erkundungsgängen sind alle erreichbar und Bergeaktionen mit Sprechverbindung sind Spitze. Wenn' st dem Fahrer eines versumpften Geräts direkt Trost und Rat spenden kannst ist das einfach nett.
Durch Wälder, Weinberge und über weite, verwucherte Wiesen führen uns die alten Aufzeichnungen. Gerade rechtzeitig vor Jacky's Hungeranfall erreichen wir die Straße nach Zalaegerszeg. Zwei Damen des horizontalen Gewerbes harren dort auf Kundschaft. Dass wir lieber das Wirtshaus aufsuchen anstatt uns hinter der nächste Hecke von ihnen erotisch verwöhnen zu lassen, dürfte sie verblüfft haben.
Die weitere Strecke ist mit einem Schranken versperrt. Mit einiger Kombinationsgabe findet Herbert einen Einstieg in die Fortsetzung. Zwei Kreuzungen in einer kleinen Ortschaft passen zu den Angaben im Roadbook und wir sind wieder mitten im Geschehen. Franz nimmt das wörtlich und parkt seinen Pajero im tiefsten Loch weit und breit. "Ist eh Zeit für eine Pause", kommt es am Funk. Mit Jacky's Winde und einigen Fotoapparaten macht Bergen richtig Spaß. Kurz danach liegen etliche Bäume auf der Strecke. Zwei Stunden sägen und winden oder eine Umfahrung suchen? Mit der eingescannten Wanderkarte des Gebiets im Garmin iQue und einigen geografischen Eingebungen verlassen wir das Dickicht und rollen einem freundschaftlichen Abendgelage entgegen.




Expedition 2

"Ich glaub die Steigung fahr' ich noch einmal", höre ich, neben einigen anderen interessanten Geräuschen, Michaels Stimme aus dem Funkgerät. Dann hallt der Wald wider vom hochtourigen Jaulen eines Puch G. Malerisch bedecken goldgelbe Buchenblätter den Waldboden. Darunter wartet saftige Erde darauf, mit genüsslichem Schmatzen jede Art von Reifen zu verschlingen.  Mein leichter Pajero hat den Anstieg flott geschafft. Michael geht mit dem schweren G der Sache auf den Grund. Schließlich erreicht er in einer Laubwolke die Schweinesuhle am Sattel nach Dioskal.
Eine Woche Urlaub + verlockende Wetteraussichten hatten unseren Appetit auf Ungarn geweckt. Vom Camp neben dem Thermalbad in Hekida waren wir zu weiteren Forschungen in die Wälder bei Misefa aufgebrochen. Eine problemlose Genusstour über viele Kilometer hatte bis nach Pacsa geführt.
Danach versacken wir im modrigen Dschungel. Ohne GPS-Empfang und weitab von allen Empfehlungen des Roadbooks gilt es eine Ausfahrt zu finden.  Wildschweinsuhlen sind die einzigen Anhaltspunkte in der Gegend und ihre Badegäste sind sicher die einzigen, die sich dort auskennen. Mit etwas Glück erreichen wir festen Boden und schließlich brauchbare Wege. Die Überfahrt nach Dioskal erfordert geschickte Pfandfinderei und macht Spaß.
Auch am nächsten Tag vertreibt die Sonne strahlend den Morgennebel. Im goldenen Herbstlicht streunen wir durch Weinberge, über Weiden und baggern uns so manchen saftigen Waldweg entlang. An einem riesigen Kahlschlag enden alle Pfade. Noch geben wir nicht auf, sondern nehmen das Streckenstück von der anderen Seite her in Angriff. Vor einem Jahr waren wir in einem verwilderten Dickicht gescheitert. Diesmal finden wir zu Fuß so etwas wie eine Fortsetzung. Aus dem Auto heraus sieht der Pfad noch bedenklicher aus. Aber wir wollen es wissen. Nach einem kratzigen Kilometer durch den Dschungel treffen wir tatsächlich auf die eingezeichnete Kreuzung. Der weitere Weg bis zum Kahlschlag ist eine wundervolle Reise über verwunschene Hügel. Mit etwas Übermut machen wir uns auf die Suche nach einem anderen Teil des Roadbooks, finden den Trail und reiten als Sieger über die herausfordernde Strecke in Misefa ein.